
Die Straßenverkehrsordnung ist in Deutschland ein wertgeschätztes Gut. Einige Mitbürger engagieren sich intensiv für ihre Umsetzung und weisen jeden, der sie mal vergessen haben sollte, unaufgefordert auf die Regeln hin. Ich weiß nicht, ob diese Mitbürger alle in Berlin leben, manchmal bekommt man allerdings den Eindruck.
„Es ist rot!“
„Das hier ist ein Fußweg/Radweg/eine Einbahnstraße!“
Als eine Freundin aus Brasilien zum ersten Mal gesehen hat, wie Autos hier mitten in der Nacht vor einer roten Ampel halten, obwohl die Straße absolut menschenleer ist, hat sie spontan ein Foto davon gemacht. Sie meinte, ohne Beweis würde ihr das in Brasilien niemand glauben.

Die Straßenverkehrsordnung ist in Deutschland ein wertgeschätztes Gut. Einige Mitbürger engagieren sich intensiv für ihre Umsetzung und weisen jeden, der sie mal vergessen haben sollte, unaufgefordert auf die Regeln hin. Ich weiß nicht, ob diese Mitbürger alle in Berlin leben, manchmal bekommt man allerdings den Eindruck.
„Es ist rot!“
„Das hier ist ein Fußweg/Radweg/eine Einbahnstraße!“
Als eine Freundin aus Brasilien zum ersten Mal gesehen hat, wie Autos hier mitten in der Nacht vor einer roten Ampel halten, obwohl die Straße absolut menschenleer ist, hat sie spontan ein Foto davon gemacht. Sie meinte, ohne Beweis würde ihr das in Brasilien niemand glauben.

Dabei leiden die meisten, wenn sie ehrlich sind, verkehrstechnisch gesehen unter einer bipolaren Störung. Ich zumindest habe festgestellt: Wenn ich auf dem Fahrrad sitze, ärgern mich die Autofahrer. Sie schneiden einem den Weg ab, fahren zu dicht vorbei, hupen ohrenbetäubend oder parken dreist, wo sie nicht parken dürfen. Kaum sitze ich aber im Auto, geraten mir die Radfahrer ins Visier. Sie schauen nicht nach rechts und links, fahren seit der Verbreitung des E-Bikes viel zu schnell und schreien Autofahrer wild gestikulierend durch die Scheibe an — dabei war es ihr eigenes, waghalsiges Verhalten, das sie fast in Lebensgefahr gebracht hat.

Es gibt aber auch Situationen, wo auf der Straße Einigkeit entsteht: Wenn sich zwei Regelübertreter, auf dem Rad oder im Auto, in einer brenzligen Situation gegenüberstehen. Der eine ist vielleicht in letzter Minute über die Kreuzung gefahren, obwohl es schon rot war. Der andere hat vielleicht ein Stoppschild übersehen, oder ist falsch herum in die Einbahnstraße gefahren. Unfälle passieren in diesen Situationen äußerst selten. Man nimmt Rücksicht, denn der andere ist schließlich eine Schwester oder ein Bruder im Geiste: Einer, der sich seinen eigenen Weg durch den Verkehrsdschungel bahnt.

Dieses Phänomen gibt es auch in anderen Lebensbereichen, spontan fällt mir da das Liebesleben ein. Auch dort scheint eine ähnliche Schizophrenie vorzuliegen: ist man in einer Beziehung, schimpft man auf die freizügigen Singles, ist man Single, nerven einen die unflexibel Gebundenen. Grenzgänger beider Lager treffen jedoch bei ihren eigenwilligen Manövern aufeinander, und auch zwischen ihnen herrscht unausgesprochene Solidarität. Niemand belehrt den anderen: „Das ist ein Privatparkplatz!“ oder „Da stand ein Stoppschild!“ Schließlich kann man mit etwas eleganter Umsicht unbeschadet an sein Ziel kommen, ganz ohne Streit, Strafzettel oder Scheidung.

Schön wäre auch die Verlegung des gesamten Verkehrsraums von der Straße in die Luft. Wenn wir uns endlich dreidimensional bewegen, würde nämlich für eine Weile Ruhe herrschen: Erstmal bräuchten alle einen Flugschein, und es müsste bezahlbare Flugzeuge und Hubschrauber geben. Das wäre eine riesige Arbeitsbeschaffungmaßnahme und würde die Wirtschaft ankurbeln.

Vor allem aber wären die Nörgler und Meckerer für eine Weile lahmgelegt, denn sie müssten sich mit dem Regelwerk des Flugverkehrs erstmal auseinandersetzen. Glücklicherweise hört man sie dann auch nicht mehr. Sie können nicht mehr mitten auf der Kreuzung aussteigen und sich vor dem Auto aufbauen oder mit den Händen an die Scheibe schlagen. Auch das Rechthaben-in-motion wird gefährlicher: Im Flugzeug überlegt man sich, jemandem den Weg abzuschneiden oder in die Bahn zu fliegen. Da weichen sogar Hardliner lieber aus.

Eine andere Zukunftsvision wäre die Abschaffung der Mobilität. Wenn jeder an einem Ort bliebe, würde man viele Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Umwelt würde geschont, und die Nerven erst recht. Man würde keine Regeln mehr übertreten, weil man sowieso keine mehr bräuchte. Aber wäre das nicht unglaublich schade? Und unbeschreiblich langweilig?

Ich glaube ja, der Straßenverkehr ist Fortsetzung der Kommunikation mit anderen Mitteln. Zeige mir, wie du fährst, und ich sage dir, wer du bist. Es gibt Menschen, die sprechen beispielsweise im Auto permanent mit den anderen Verkehrsteilnehmern, obwohl die sie überhaupt nicht hören können. Hinter so mancher Windschutzscheibe spielen sich täglich einsame, unhörbare Dramen ab. Andere benutzen im Zweifel die Hupe statt der Bremse, und versetzen ihre Umgebung damit in Angst in Schrecken. Der SUV ist ihre Waffe im Kampf mit dem Großstadtalltag. Wieder andere fahren mit ihrem Fahrrad derart halsbrecherische Schlangenlinien über die Fahrbahn, dass man sich fragt, ob sie eigentlich suizidgefährdet sind.

Zu glauben, dass sich all diese verschiedenen Charaktere durch die Straßenverkehrsordnung zähmen ließen, ist vielleicht eher eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Polizei als ein realistisches Szenario. Konstruktiver wäre das Üben motorisierter Entspannung und mobiler Empathie. Mit anderen Worten: Zen an der Ampel. Atemübungen im Stau. Das hawaiianische Vergebungsritual beim Linksabbiegen. Verzeihen wir den Wegabschneidern! Lassen wir die Parkplatzräuber los. Machen wir rasenden Radfahrern Platz. Der Weltfrieden beginnt im Straßenverkehr.


Dabei leiden die meisten, wenn sie ehrlich sind, verkehrstechnisch gesehen unter einer bipolaren Störung. Ich zumindest habe festgestellt: Wenn ich auf dem Fahrrad sitze, ärgern mich die Autofahrer. Sie schneiden einem den Weg ab, fahren zu dicht vorbei, hupen ohrenbetäubend oder parken dreist, wo sie nicht parken dürfen. Kaum sitze ich aber im Auto, geraten mir die Radfahrer ins Visier. Sie schauen nicht nach rechts und links, fahren seit der Verbreitung des E-Bikes viel zu schnell und schreien Autofahrer wild gestikulierend durch die Scheibe an — dabei war es ihr eigenes, waghalsiges Verhalten, das sie fast in Lebensgefahr gebracht hat.

Es gibt aber auch Situationen, wo auf der Straße Einigkeit entsteht: Wenn sich zwei Regelübertreter, auf dem Rad oder im Auto, in einer brenzligen Situation gegenüberstehen. Der eine ist vielleicht in letzter Minute über die Kreuzung gefahren, obwohl es schon rot war. Der andere hat vielleicht ein Stoppschild übersehen, oder ist falsch herum in die Einbahnstraße gefahren. Unfälle passieren in diesen Situationen äußerst selten. Man nimmt Rücksicht, denn der andere ist schließlich eine Schwester oder ein Bruder im Geiste: Einer, der sich seinen eigenen Weg durch den Verkehrsdschungel bahnt.

Man bremst gern für den seelenverwandten Rebell, man hätte es schließlich selbst sein können. So werden aus verschwiegener Solidarität unzählige Unfälle vermieden.
Dieses Phänomen gibt es auch in anderen Lebensbereichen, spontan fällt mir da das Liebesleben ein. Auch dort scheint eine ähnliche Schizophrenie vorzuliegen: ist man in einer Beziehung, schimpft man auf die freizügigen Singles, ist man Single, nerven einen die unflexibel Gebundenen. Grenzgänger beider Lager treffen jedoch bei ihren eigenwilligen Manövern aufeinander, und auch zwischen ihnen herrscht unausgesprochene Solidarität. Niemand belehrt den anderen: „Das ist ein Privatparkplatz!“ oder „Da stand ein Stoppschild!“ Schließlich kann man mit etwas eleganter Umsicht unbeschadet an sein Ziel kommen, ganz ohne Streit, Strafzettel oder Scheidung.

Dies ist natürlich kein Plädoyer für Anarchie. Es ist eine Vision für den geschmeidigen Umgang in Zeiten täglicher Konfrontation. Eine Anregung zum Augenzwinkern statt tödlichem Starren auf den Feind. Der transzendente Wunsch nach Paralleluniversen, und auf der Erde vielleicht nach selbstfahrenden Taxis. Dann ist endlich niemand mehr schuld — zumindest niemand, der aktuell anwesend ist.
Schön wäre auch die Verlegung des gesamten Verkehrsraums von der Straße in die Luft. Wenn wir uns endlich dreidimensional bewegen, würde nämlich für eine Weile Ruhe herrschen: Erstmal bräuchten alle einen Flugschein, und es müsste bezahlbare Flugzeuge und Hubschrauber geben. Das wäre eine riesige Arbeitsbeschaffungmaßnahme und würde die Wirtschaft ankurbeln.

Vor allem aber wären die Nörgler und Meckerer für eine Weile lahmgelegt, denn sie müssten sich mit dem Regelwerk des Flugverkehrs erstmal auseinandersetzen. Glücklicherweise hört man sie dann auch nicht mehr. Sie können nicht mehr mitten auf der Kreuzung aussteigen und sich vor dem Auto aufbauen oder mit den Händen an die Scheibe schlagen. Auch das Rechthaben-in-motion wird gefährlicher: Im Flugzeug überlegt man sich, jemandem den Weg abzuschneiden oder in die Bahn zu fliegen. Da weichen sogar Hardliner lieber aus.

Eine andere Zukunftsvision wäre die Abschaffung der Mobilität. Wenn jeder an einem Ort bliebe, würde man viele Fliegen mit einer Klappe schlagen: Die Umwelt würde geschont, und die Nerven erst recht. Man würde keine Regeln mehr übertreten, weil man sowieso keine mehr bräuchte. Aber wäre das nicht unglaublich schade? Und unbeschreiblich langweilig?

Ich glaube ja, der Straßenverkehr ist Fortsetzung der Kommunikation mit anderen Mitteln. Zeige mir, wie du fährst, und ich sage dir, wer du bist. Es gibt Menschen, die sprechen beispielsweise im Auto permanent mit den anderen Verkehrsteilnehmern, obwohl die sie überhaupt nicht hören können. Hinter so mancher Windschutzscheibe spielen sich täglich einsame, unhörbare Dramen ab. Andere benutzen im Zweifel die Hupe statt der Bremse, und versetzen ihre Umgebung damit in Angst in Schrecken. Der SUV ist ihre Waffe im Kampf mit dem Großstadtalltag. Wieder andere fahren mit ihrem Fahrrad derart halsbrecherische Schlangenlinien über die Fahrbahn, dass man sich fragt, ob sie eigentlich suizidgefährdet sind.


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