DIE KONZERTVÖGEL

2022-04-26T19:40:14+00:00April 29, 2022|1 Kommentar

In der Generalprobe sind die Platzverhältnisse plötzlich ein bisschen anders: ein Baum steht in der Mitte der Bühne. Um Mensch und Natur kreist das gesamte Überraschungskonzert, dessen Programm für das Publikum erst am Abend bekannt wird. In diesem Fall hält es auch für die Musiker eine Überraschung bereit: Die Bandaufnahme der Vogelsolisten für den „Cantus arcticus“ von Einojuhani Rautavaara wird durch lebendige Kollegen aus dem europäischen Raum verstärkt, der Orchesterwart trägt einen Käfig mit bunten Vögeln auf den Solistenplatz.

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In der Generalprobe sind die Platzverhältnisse plötzlich ein bisschen anders: ein Baum steht in der Mitte der Bühne. Um Mensch und Natur kreist das gesamte Überraschungskonzert, dessen Programm für das Publikum erst am Abend bekannt wird. In diesem Fall hält es auch für die Musiker eine Überraschung bereit: Die Bandaufnahme der Vogelsolisten für den „Cantus arcticus“ von Einojuhani Rautavaara wird durch lebendige Kollegen aus dem europäischen Raum verstärkt, der Orchesterwart trägt einen Käfig mit bunten Vögeln auf den Solistenplatz.

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Die Tiere müssen sich an ihre neue Aufgabe erst gewöhnen, in der Generalprobe sind sie vollkommen stumm; verschreckt und tatenlos starren sie den Musikern entgegen. Überlegungen werden angestellt, wie sie zur Mitarbeit zu überlisten wären, schließlich wird ein zweiter Käfig besorgt und die Vögel getrennt, auf die Bühne darf nur die Hälfte. Die andere Hälfte soll von draußen animierend rufen.

Der Plan ist ein voller Erfolg. Beim Konzert beginnt das Stück in leisem Bläserzwiegespräch, bald ist der erste Tschieper zu hören. Die Vögel mischen sich unmerklich ins Geschehen, kommunizieren mit ihren Artgenossen vom Tonband und schaffen es mehrmals, exakt auf Fischers Dirigat zu zwitschern. Als sie zum Ende auch noch haargenau mit seiner Schlussbewegung verstummen, ist der Jubel groß. Wer hätte diese Begabung vermutet!

Konzert zwei. Mit Vorfreude gehen die Musiker in Erwartung ihrer federkleidtragenden Kollegen auf die Bühne – die machen heute bereits backstage ziemlichen Radau. Auch beim Auftritt herrscht an diesem Abend schon Bewegung im Käfig. Als das Stück beginnt, ist das leise Bläserzwiegespräch schnell Hintergrundsgeschehen – die Vögel steigern sich innerhalb weniger Minuten in ein ohrenbetäubendes Zwitscherkonzert hinein. Es wird geflattert, geschaukelt und geschrien, Federn fliegen in Richtung erstes Geigenpult.
Was ist in die Vögel gefahren?! Vermutlich Größenwahn nach ihrem fulminanten Premierenerfolg. Ivan Fischer, der sonst mühelos ein großes Sinfonieorchester zum gemeinsamen Ausdruck eint, beugt sich immer wieder beruhigend Richtung Vogelkäfig, trifft jedoch weitestgehend auf Ignoranz. Das lange decrescendo am Ende des Stücks übergehen die Vögel ebenfalls. Als der Käfig von der Bühne getragen wird, gleicht das Szenario dem Auflösen einer Sitzblockade.

Konzert drei. Hinter der Bühne wird diskutiert und vermutet: in welcher Laune sind die Vögel heute? Werden sie kooperieren? Misstrauisch gehen die Musiker am auftrittsbereiten Käfig vorbei auf die Bühne. Doch der gestrige Abend ist vergessen, die Tiere machen einen friedlichen Eindruck. Sie halten sich zunächst elegant im Hintergrund, um dann langsam in den Verlauf des Stücks einzutauchen, ganz wie beim ersten Mal. Vielleicht sind sie nicht so präzise mit dem Schlag zusammen, aber nach dem gestrigen Ausbruch kann man ihnen das verzeihen.

Was ist zwischen diesen beiden Konzerten passiert, was brachte die Vögel dazu, sich noch einmal auf ihre musikalische Aufgabe einzulassen? Wahrscheinlich ist der Konzertmeister hingegangen und hat ihnen erklärt, dass der Solistenmarkt sehr hart ist und sie in ihrem Sängerleben nicht selbstverständlich wieder auf so kooperative Mitspieler treffen werden.

Sie könnten sich auch ausgemalt haben, wie sie, pensioniert in ihrer Schaukel sitzend, ihren Sittich-Enkeln stolz erzählen, dass Ivan Fischer der Dirigent ihres ersten Bühnenauftritts war.

Vielleicht ist an diesem Abend aber auch etwas von der mystischen Magie in Rautavaaras Werk auf sie übergesprungen.

Die Tiere müssen sich an ihre neue Aufgabe erst gewöhnen, in der Generalprobe sind sie vollkommen stumm; verschreckt und tatenlos starren sie den Musikern entgegen. Überlegungen werden angestellt, wie sie zur Mitarbeit zu überlisten wären, schließlich wird ein zweiter Käfig besorgt und die Vögel getrennt, auf die Bühne darf nur die Hälfte. Die andere Hälfte soll von draußen animierend rufen.

Der Plan ist ein voller Erfolg. Beim Konzert beginnt das Stück in leisem Bläserzwiegespräch, bald ist der erste Tschieper zu hören. Die Vögel mischen sich unmerklich ins Geschehen, kommunizieren mit ihren Artgenossen vom Tonband und schaffen es mehrmals, exakt auf Fischers Dirigat zu zwitschern. Als sie zum Ende auch noch haargenau mit seiner Schlussbewegung verstummen, ist der Jubel groß. Wer hätte diese Begabung vermutet!

Konzert zwei. Mit Vorfreude gehen die Musiker in Erwartung ihrer federkleidtragenden Kollegen auf die Bühne – die machen heute bereits backstage ziemlichen Radau.

Auch beim Auftritt herrscht an diesem Abend schon Bewegung im Käfig. Als das Stück beginnt, ist das leise Bläserzwiegespräch schnell Hintergrundsgeschehen – die Vögel steigern sich innerhalb weniger Minuten in ein ohrenbetäubendes Zwitscherkonzert hinein. Es wird geflattert, geschaukelt und geschrien, Federn fliegen in Richtung erstes Geigenpult.

Was ist in die Vögel gefahren?! Vermutlich Größenwahn nach ihrem fulminanten Premierenerfolg. Ivan Fischer, der sonst mühelos ein großes Sinfonieorchester zum gemeinsamen Ausdruck eint, beugt sich immer wieder beruhigend Richtung Vogelkäfig, trifft jedoch weitestgehend auf Ignoranz. Das lange decrescendo am Ende des Stücks übergehen die Vögel ebenfalls. Als der Käfig von der Bühne getragen wird, gleicht das Szenario dem Auflösen einer Sitzblockade.

Konzert drei. Hinter der Bühne wird diskutiert und vermutet: in welcher Laune sind die Vögel heute? Werden sie kooperieren? Misstrauisch gehen die Musiker am auftrittsbereiten Käfig vorbei auf die Bühne. Doch der gestrige Abend ist vergessen, die Tiere machen einen friedlichen Eindruck. Sie halten sich zunächst elegant im Hintergrund, um dann langsam in den Verlauf des Stücks einzutauchen, ganz wie beim ersten Mal. Vielleicht sind sie nicht so präzise mit dem Schlag zusammen, aber nach dem gestrigen Ausbruch kann man ihnen das verzeihen.

Was ist zwischen diesen beiden Konzerten passiert, was brachte die Vögel dazu, sich noch einmal auf ihre musikalische Aufgabe einzulassen?
Wahrscheinlich ist der Konzertmeister hingegangen und hat ihnen erklärt, dass der Solistenmarkt sehr hart ist und sie in ihrem Sängerleben nicht selbstverständlich wieder auf so kooperative Mitspieler treffen werden. Sie könnten sich auch ausgemalt haben, wie sie, pensioniert in ihrer Schaukel sitzend, ihren Sittich-Enkeln stolz erzählen, dass Ivan Fischer der Dirigent ihres ersten Bühnenauftritts war.

Vielleicht ist an diesem Abend aber auch etwas von der mystischen Magie in Rautavaaras Werk auf sie übergesprungen.

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Ein Kommentar

  1. Dani April 30, 2022 um 3:09 pm Uhr - Antworten

    Freitag ist ein guter Tag. Das weiß ich schon lange… Ich freue mich immer über die neue Geschichte. Ein Lichtblick.

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