DAILY BLISS

2022-05-13T03:57:59+00:00Mai 13, 2022|4 Kommentare

Es gibt Menschen, die geraten in Stress, wenn sie auf Reisen gehen sollen. Ständiges Unterwegssein macht sie nervös, sie verzetteln sich darin, das Unplanbare zu planen. Bei mir ist es genau umgekehrt. Wenn ich zu lange einer Form von Alltag ausgesetzt bin, schaltet sich mein Hirn aus. Ich glaube, Gleichförmigkeit empfindet es als Bedrohung. Es schmeißt dann nach und nach essentielle Informationen aus seinen Bahnen, wie z.b. die Geheimzahl meiner Bankkarte, oder die Erinnerung an den Hausschlüssel.

In einer solchen Alltagswoche hatte ich mich aus meiner Wohnung ausgesperrt — ein Umstand, den meine Nachbarn schon kennen. Sie erwarten mich dann mit meinem Zweitschlüssel in der Hand an der Tür und sind da durchaus unbequeme Zeiten gewohnt. Besonders meine Nachbarin Iris, die in dieser Woche allerdings verreist war. Es passierte mir auch gleich zweimal hintereinander, und so lag der Zweitschlüssel unerreichbar in meiner Wohnung auf dem Schreibtisch, als ich wieder vor verschlossener Tür stand. Man kann ja Türen mit der Scheckkarte öffnen, aber meine Versuche waren nicht sehr erfolgreich. Ich rief also meine Freundin Mona an, die praktischer veranlagt ist als ich.

Ihr fiel auch sofort eine Lösung ein: sie fragte die beiden Polizisten um Rat, die neben ihr am Kühlregal im Supermarkt standen. Ob sie ihrer Freundin dabei helfen könnten, ihre Wohnung aufzubrechen? Da Männer Mona grundsätzlich ungern eine Bitte abschlagen, waren die beiden sofort Feuer und Flamme.

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Es gibt Menschen, die geraten in Stress, wenn sie auf Reisen gehen sollen. Ständiges Unterwegssein macht sie nervös, sie verzetteln sich darin, das Unplanbare zu planen.
Bei mir ist es genau umgekehrt. Wenn ich zu lange einer Form von Alltag ausgesetzt bin, schaltet sich mein Hirn aus. Ich glaube, Gleichförmigkeit empfindet es als Bedrohung. Es schmeißt dann nach und nach essentielle Informationen aus seinen Bahnen, wie z.b. die Geheimzahl meiner Bankkarte, oder die Erinnerung an den Hausschlüssel.

In einer solchen Alltagswoche hatte ich mich aus meiner Wohnung ausgesperrt — ein Umstand, den meine Nachbarn schon kennen. Sie erwarten mich dann mit meinem Zweitschlüssel in der Hand an der Tür und sind da durchaus unbequeme Zeiten gewohnt. Besonders meine Nachbarin Iris, die in dieser Woche allerdings verreist war. Es passierte mir auch gleich zweimal hintereinander, und so lag der Zweitschlüssel unerreichbar in meiner Wohnung auf dem Schreibtisch, als ich wieder vor verschlossener Tür stand. Man kann ja Türen mit der Scheckkarte öffnen, aber meine Versuche waren nicht sehr erfolgreich. Ich rief also meine Freundin Mona an, die praktischer veranlagt ist als ich.
Ihr fiel auch sofort eine Lösung ein: sie fragte die beiden Polizisten um Rat, die neben ihr am Kühlregal im Supermarkt standen. Ob sie ihrer Freundin dabei helfen könnten, ihre Wohnung aufzubrechen? Da Männer Mona grundsätzlich ungern eine Bitte abschlagen, waren die beiden sofort Feuer und Flamme. Sie merkten noch pro forma an, dass ich mich aber ausweisen müsse, dann zogen sie los, um mir zu helfen.

Sie erzählten Mona allerdings nicht, dass sie Teil eines Sondereinsatzkommandos waren — weshalb sie dann mit einem LKW voller Polizisten über den Radweg fuhren und spektakulär vor meiner Haustür zum Stehen kamen. Die Blumenhändlerin nebenan warf mir entgeisterte Blicke zu, als ich die Polizisten enthusiastisch begrüsste. Ausweisen konnte ich mich, und dann ging alles sehr schnell – in wenigen Minuten war meine Wohnungstür geöffnet. Beinahe wäre ich den Rettern um den Hals gefallen, aber da wurden sie doch ein bisschen kompliziert. Die Flasche Crémant als Dankeschön könnten sie nicht annehmen, und ein Foto für Instagram käme auch nicht in Frage. Sie dürfen eigentlich gar nicht hier sein, erklärte mir der eine, aus dessen Mikrophon im Ohr es zwischenzeitlich knatterte und rauschte.

Zu schade, dass Iris diese Aktion verpasst hat. Sie ist im grauen Alltag immer ein warmer Hafen aus Chaos und Improvisation, und nicht jeder Nachbar teilt meine Sympathie für sie. Bei Iris wohnen nämlich einige Haustiere, die sie sehr frei erzogen hat. Insbesondere ihr Hase Hugo sorgte für Unmut, als er freilaufend im Garten des Hinterhauses sämtliche Blumen aus den Kübeln fraß. Die Hausverwaltung forderte mehrfach, dass Hugo in einem Käfig zu halten sei, was Iris geflissentlich ignorierte. Ihr nächster Nachbar baute schließlich einen Zaun um seinen Teil des Gartens. Für eine Weile herrschte Ruhe, danach eskalierte die Lage um so mehr: Der Hase hatte die Zeit genutzt, um ein Tunnelsystem ähnlich der Hamas im Gazastreifen anzulegen, und als in einer milden Sommernacht die Terrassentür des Nachbars offen stand, schlich Hugo hinein und sprang zu ihm ins Bett.

Danach war die Stimmung im Haus für eine Weile ziemlich angespannt — was sich auch auf meinen Alltag auswirkte. In der Nacht nämlich, als ein Rauchmelder in meiner Wohnung anfing, ohrenbetäubend zu fiepen. Es war nur wenige Tage nach der Polizei-Hilfsaktion, Iris war immer noch verreist, und angesichts des Hugo-Szenarios hatte ich nachts um drei doch Hemmungen, einen anderen Nachbarn mit dem Problem zu belasten. Das Problem waren die über vier Meter hohen Wände unseres Altbau-Hauses, die im Prinzip sehr schön sind. Ich besaß auch eine entsprechend hohe Leiter, aber um den Rauchmelder herauszudrehen, musste man auf der letzten Stufe für eine Weile ohne Halt in der Luft schweben. Nach einigen halbherzigen Versuchen entschied ich mich dagegen.

Stattdessen versuchte ich, den Rauchmelder mit Wasser zu zerstören. Ich beschoss ihn aus der Sprudelflasche, aber Rauchmelder gehen bei Nässe offensichtlich nicht kaputt. Meine Kreativität geriet ins Stocken. Wer könnte mir jetzt helfen? Nachdem ich die Polizei als so bereitwilligen Freund und Helfer in Erinnerung hatte, kam mir die Feuerwehr in den Sinn. Retteten die nicht auch Katzen aus hohen Bäumen? Da war ein Rauchmelder in 4,50m Höhe ja wohl eine Lappalie.
Am Telefon waren sie zuerst ein bisschen zögerlich, aber schließlich überzeugte ich sie von der dramatischen Lage. Sie kamen mit einem dieser großen Wagen, mit Leiter auf dem Dach — wie gut, dass die Blumenhändlerin schon geschlafen hat.
Der Feuerwehrmann stieg ohne jegliche Höhenangst in Sekundenschnelle auf meiner Leiter bis nach oben. Beim Herausdrehen des Rauchmelders bemerkte er irritiert: „Das Gerät ist nass.“ Während ich noch nach einer passenden Erklärung suchte, faltete er kopfschüttelnd das Formular zusammen, auf dem er den Einsatz hatte dokumentieren wollen. „Wir lassen det sein, ich war einfach gar nicht hier“, sagte er.
Eigentlich schade, dass auf diese Weise niemand von seiner großzügigen Hilfsbereitschaft erfahren wird. Auch die Polizei hatte da schon extreme Bescheidenheit an den Tag gelegt.

All diese Erlebnisse bestärken letztlich meine Überzeugung, dass wahres Wohnglück nur in einem Hotel und nicht in den eigenen vier Wänden zu finden ist. Erst neulich habe ich einen Artikel über eine Frau gelesen, die ihre Alltagsverpflichtungen ein- für allemal leid war und in ihr Lieblingshotel gezogen ist. Ich vermute, sie hatte eine ähnliche Woche hinter sich wie ich. Jedenfalls war es ein Zeichen: Meine Reisen sind ab jetzt Recherche für ein passendes Lieblingshotel. Einfach wird es allerdings nicht. Ich werde eine realistische Alltagswoche inszenieren müssen, um die Belastbarkeit des Concierge zu testen.

Es gibt Menschen, die geraten in Stress, wenn sie auf Reisen gehen sollen. Ständiges Unterwegssein macht sie nervös, sie verzetteln sich darin, das Unplanbare zu planen.
Bei mir ist es genau umgekehrt. Wenn ich zu lange einer Form von Alltag ausgesetzt bin, schaltet sich mein Hirn aus. Ich glaube, Gleichförmigkeit empfindet es als Bedrohung. Es schmeißt dann nach und nach essentielle Informationen aus seinen Bahnen, wie z.b. die Geheimzahl meiner Bankkarte, oder die Erinnerung an den Hausschlüssel.

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In einer solchen Alltagswoche hatte ich mich aus meiner Wohnung ausgesperrt — ein Umstand, den meine Nachbarn schon kennen. Sie erwarten mich dann mit meinem Zweitschlüssel in der Hand an der Tür und sind da durchaus unbequeme Zeiten gewohnt. Besonders meine Nachbarin Iris, die in dieser Woche allerdings verreist war. Es passierte mir auch gleich zweimal hintereinander, und so lag der Zweitschlüssel unerreichbar in meiner Wohnung auf dem Schreibtisch, als ich wieder vor verschlossener Tür stand. Man kann ja Türen mit der Scheckkarte öffnen, aber meine Versuche waren nicht sehr erfolgreich. Ich rief also meine Freundin Mona an, die praktischer veranlagt ist als ich. Ihr fiel auch sofort eine Lösung ein: sie fragte die beiden Polizisten um Rat, die neben ihr am Kühlregal im Supermarkt standen. Ob sie ihrer Freundin dabei helfen könnten, ihre Wohnung aufzubrechen? Da Männer Mona grundsätzlich ungern eine Bitte abschlagen, waren die beiden sofort Feuer und Flamme.

Sie merkten noch pro forma an, dass ich mich aber ausweisen müsse, dann zogen sie los, um mir zu helfen. Sie erzählten Mona allerdings nicht, dass sie Teil eines Sondereinsatzkommandos waren — weshalb sie dann mit einem LKW voller Polizisten über den Radweg fuhren und spektakulär vor meiner Haustür zum Stehen kamen. Die Blumenhändlerin nebenan warf mir entgeisterte Blicke zu, als ich die Polizisten enthusiastisch begrüsste.

Sie merkten noch pro forma an, dass ich mich aber ausweisen müsse, dann zogen sie los, um mir zu helfen. Sie erzählten Mona allerdings nicht, dass sie Teil eines Sondereinsatzkommandos waren — weshalb sie mit ihrem LKW voller Polizisten über den Radweg fuhren und spektakulär vor meiner Haustür zum Stehen kamen. Die Blumenhändlerin nebenan warf mir entgeisterte Blicke zu, als ich die Polizisten enthusiastisch begrüsste.

Ausweisen konnte ich mich, und dann ging alles sehr schnell — in wenigen Minuten war meine Wohnungstür geöffnet. Beinahe wäre ich den Rettern um den Hals gefallen, aber da wurden sie doch ein bisschen kompliziert. Die Flasche Crémant als Dankeschön könnten sie nicht annehmen, und ein Foto für Instagram käme auch nicht in Frage. Sie dürfen eigentlich gar nicht hier sein, erklärte mir der eine, aus dessen Mikrophon im Ohr es zwischenzeitlich knatterte und rauschte.

Zu schade, dass Iris diese Aktion verpasst hat. Sie ist im grauen Alltag immer ein warmer Hafen aus Chaos und Improvisation, und nicht jeder Nachbar teilt meine Sympathie für sie. Bei Iris wohnen nämlich einige Haustiere, die sie sehr frei erzogen hat. Insbesondere ihr Hase Hugo sorgte für Unmut, als er freilaufend im Garten des Hinterhauses sämtliche Blumen aus den Kübeln fraß. Die Hausverwaltung forderte mehrfach, dass Hugo in einem Käfig zu halten sei, was Iris geflissentlich ignorierte. Ihr nächster Nachbar baute schließlich einen Zaun um seinen Teil des Gartens. Für eine Weile herrschte Ruhe, danach eskalierte die Lage um so mehr: Der Hase hatte die Zeit genutzt, um ein Tunnelsystem ähnlich der Hamas im Gazastreifen anzulegen, und als in einer milden Sommernacht die Terrassentür des Nachbars offen stand, schlich Hugo hinein und sprang zu ihm ins Bett.

Danach war die Stimmung im Haus für eine Weile ziemlich angespannt — was sich auch auf meinen Alltag auswirkte. In der Nacht nämlich, als ein Rauchmelder in meiner Wohnung anfing, ohrenbetäubend zu fiepen. Es war nur wenige Tage nach der Polizei-Hilfsaktion, Iris war immer noch verreist, und angesichts des Hugo-Szenarios hatte ich nachts um drei doch Hemmungen, einen anderen Nachbarn mit dem Problem zu belasten. Das Problem waren die über vier Meter hohen Wände unseres Altbau-Hauses, die im Prinzip sehr schön sind. Ich besaß auch eine entsprechend hohe Leiter, aber um den Rauchmelder herauszudrehen, musste man auf der letzten Stufe für eine Weile ohne Halt in der Luft schweben. Nach einigen halbherzigen Versuchen entschied ich mich dagegen.

Stattdessen versuchte ich, den Rauchmelder mit Wasser zu zerstören. Ich beschoss ihn aus der Sprudelflasche, aber Rauchmelder gehen bei Nässe offensichtlich nicht kaputt. Meine Kreativität geriet ins Stocken. Wer könnte mir jetzt helfen? Nachdem ich die Polizei als so bereitwilligen Freund und Helfer in Erinnerung hatte, kam mir die Feuerwehr in den Sinn. Retteten die nicht auch Katzen aus hohen Bäumen? Da war ein Rauchmelder in 4,50m Höhe ja wohl eine Lappalie.
Am Telefon waren sie zuerst ein bisschen zögerlich, aber schließlich überzeugte ich sie von der dramatischen Lage. Sie kamen mit einem dieser großen Wagen, mit Leiter auf dem Dach — wie gut, dass die Blumenhändlerin schon geschlafen hat.
Der Feuerwehrmann stieg ohne jegliche Höhenangst in Sekundenschnelle auf meiner Leiter bis nach oben. Beim Herausdrehen des Rauchmelders bemerkte er irritiert: „Das Gerät ist nass.“
Während ich noch nach einer passenden Erklärung suchte, faltete er kopfschüttelnd das Formular zusammen, auf dem er den Einsatz hatte dokumentieren wollen. „Wir lassen det sein, ich war einfach gar nicht hier“, sagte er. Eigentlich schade, dass auf diese Weise niemand von seiner großzügigen Hilfsbereitschaft erfahren wird. Auch die Polizei hatte da schon extreme Bescheidenheit an den Tag gelegt.

All diese Erlebnisse bestärken letztlich meine Überzeugung, dass wahres Wohnglück nur in einem Hotel und nicht in den eigenen vier Wänden zu finden ist. Erst neulich habe ich einen Artikel über eine Frau gelesen, die ihre Alltagsverpflichtungen ein- für allemal leid war und in ihr Lieblingshotel gezogen ist. Ich vermute, sie hatte eine ähnliche Woche hinter sich wie ich. Jedenfalls war es ein Zeichen: Meine Reisen sind ab jetzt Recherche für ein passendes Lieblingshotel. Einfach wird es allerdings nicht. Ich werde eine realistische Alltagswoche inszenieren müssen, um die Belastbarkeit des Concierge zu testen.

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4 Kommentare

  1. Dani Mai 13, 2022 um 7:15 am Uhr - Antworten

    Köstlich. Vielleicht das Atlantic in Hamburg? Die sind von Udo L. sicher einiges gewohnt. Wem langweilig ist, der sollte sich im Blumenladen vor Deiner Tür eine Stelle suchen…

  2. Andreas Kern Mai 13, 2022 um 9:45 am Uhr - Antworten

    Ganz großartig 👏🏼

    • Meta ( aka Mona) Mai 15, 2022 um 1:30 pm Uhr - Antworten

      Ja, die großartigsten Geschichten schreibt Eva’s Leben selbst 😉

  3. Meta Hueper Mai 15, 2022 um 1:33 pm Uhr - Antworten

    Liebe Eva, wie immer äußerst unterhaltsam. Es macht Spaß Deine Geschichten oder sollte ich sagen, Deine Erlebnisse, zu lesen. Bin gespannt auf nächsten Freitag.

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